Mathias Stein vor der Reichstagskuppel § Foto: Marco Urban

Meine Position zur Impfpflicht

Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist für mich ein hohes Gut. Deshalb habe ich sehr lange mit mir gehadert, was die richtige Entscheidung in der Frage der Impfpflicht ist. Ich gebe offen zu: Es wäre mir wirklich wesentlich lieber gewesen, wenn sich die meisten, die sich impfen lassen können, freiwillig für eine Impfung entschieden hätten. Die mRNA-Impfstoffe sind sicher, gut verträglich und bieten auch bei der aktuell vorherrschenden Virusvariante Omikron einen sehr guten Schutz gegen schwere Verläufe mit Todesfolge. Ihr Nutzen überwiegt bei weitem mögliche Risiken durch Nebenwirkungen.

Leider müssen wir nun aber zur Kenntnis nehmen, dass die Impfquote sehr niedrig ist. 77 Prozent der Deutschen sind derzeit nur einmal – also nicht ausreichend – geimpft und nur 59 Prozent erfüllen mit drei Impfungen den derzeit von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Standard. Auch der sogenannte „Totimpfstoff“ von Novavax, auf den angeblich so viele Menschen gewartet hatten, konnte zu keiner entscheidenden Verbesserung der Impfbereitschaft beitragen.

Mit dieser niedrigen Impfquote ist Deutschland sehr schlecht für weitere Virusmutationen und Infektionswellen gewappnet, die von führenden Wissenschaftlern erwartet werden. Die Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems sowie der starken Beeinträchtigung der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens ist demnach längst nicht gebannt.

Mit Blick auf die schlechten Erfahrungen der vergangenen Jahre halte ich es für unverantwortlich, noch einmal schlecht vorbereitet in den Herbst zu gehen, wenn sich das soziale Leben wieder mehr nach drinnen verlagert und die Ansteckungsgefahr höher wird. Wir sollten dieses Mal besser vorsorgen als in den vergangenen zwei Jahren und dafür wollte der von den Koalitionsfraktionen als Kompromissvorschlag entwickelte neue Gesetzentwurf „Pandemievorsorge durch Aufklärung, verpflichtende Impfberatung und Immunisierung der Bevölkerung gegen Sars-CoV-2“ sorgen. Er sah folgende Maßnahmen vor:

  1. Eine Impfpflicht ab 60 Jahren zum 15. Oktober 2022. Damit sollen diejenigen geschützt werden, die aufgrund ihres Alters nachweislich das größte Risiko für schwere Krankheitsverläufe mit Todesfolge haben.
  2. Eine Impfberatungspflicht für Personen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren, die spätestens bis zum 15. Oktober 2022 zu erfüllen ist. Wer Bedenken oder Fragen hinsichtlich der Impfung hat, findet hier kompetente Ansprechpartner.
  3. Den Aufbau eines Impfregisters. In Verbindung mit den Daten über das aktuelle Infektionsgeschehen bietet das Impfregister im Herbst die Grundlage für die Entscheidung des Deutschen Bundestages, entweder die Immunitätsnachweispflicht auszusetzen, weil eine Grundimmunität erreicht wurde, oder auf Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren auszudehnen.

Mich hat bei diesem Gesetzentwurf vor allem die Beratungspflicht überzeugt, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie gut sich gerade schwierige Fragen im persönlichen Gespräch klären lassen. Ich habe die ernsthafte Hoffnung, dass sich nach einer persönlichen Beratung viele, die jetzt noch zweifeln, für den solidarischen Schritt einer Impfung gegen Sars-CoV-2 entscheiden könnten.

Der von mir unterstützte Gesetzentwurf hat heute allerdings leider keine Mehrheit im Deutschen Bundestag gefunden. In einem nächsten Schritt müssen die Regierungsfraktionen nun versuchen, zumindest die Beratungspflicht und das Impfregister mit einem neuen Gesetzesverfahren einzuführen. Ob es im Deutschen Bundestag einen neuen Anlauf für die Einführung der Impfpflicht gibt, wird sicherlich auch vom weiteren Verlauf der Pandemie abhängen.

Infoblatt Impffakten