Wir brauchen Gleichstellung – gerade jetzt!
Jedes Jahr am 8. März erinnert uns der Weltfrauentag aufs Neue daran, welchen weiten Weg wir noch vor uns haben, bis wir die völlige Gleichstellung der Geschlechter erreicht haben. In diesem Jahr fällt der Weltfrauentag in eine seltsame Zeit. Es gäbe doch jetzt gerade Wichtigeres, könnte man meinen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Die Corona-Pandemie zeigt uns gerade jetzt, dass wir Gleichstellung brauchen.
Der Lockdown hat alte Geschlechterrollen wieder zu Tage kommen lassen: Die Realität in den Familien sieht oft so aus, dass Frauen zu Hause mit Kindern und Haushalt klarkommen und ganz neben-bei noch aus dem Home-Office arbeiten müssen. Oft arbeiten gerade Frauen allerdings in sozialen Berufen, in denen an Home-Office gar nicht zu denken ist. In Deutschland arbeiten 5,7 Millionen Menschen in sozialen Berufen – 80 Prozent von ihnen sind Frauen. Wie existenziell und herausfordernd die tagtägliche Arbeit von Pflegekräften und Erzieher*innen ist, wird durch die Corona-Pandemie besonders spürbar. Klar ist: Gute Arbeitsbedingungen und ein fairer Lohn müssen für soziale Berufe selbstverständlich sein. Dafür sind endlich flächendeckende Tarifverträge für Erziehungs-, Gesundheits- und Pflegeberufe notwendig. Unser Minister Hubertus Heil hält den Druck hoch und setzt sich mit aller Kraft für bessere Löhne für Pflegekräfte ein.
Wir müssen politisch dafür sorgen, dass Mütter und Väter sich die Familien- und Arbeitszeit gleich-mäßiger aufteilen und sich für Männer wie für Frauen Beruf und Familie gut vereinbaren lassen. Mit der Elterngeldreform haben wir einen ersten Schritt dafür getan: Die zulässige Arbeitszeit während der Elternzeit haben wir von 30 auf 32 Wochenstunden angehoben. Auch der Partnerschaftsbonus, der die parallele Teilzeit beider Eltern unterstützt, kann künftig mit 24 bis 32 Wochenstunden (statt mit bisher 25 bis 30 Wochenstunden) bezogen werden. Mit der Reform haben wir wir das Elterngeld flexibler, einfacher und partnerschaftlicher gemacht. Ich bin überzeugt, dass wir uns in einem nächsten Schritt dem Ehegattensplitting zuwenden müssen. Dies ist mit unserem aktuellen Koalitionspartner nicht zu machen und eine Aufgabe für eine neue progressive Mehrheit im Deutschen Bundestag.
Frauen stehen bei der Krisenbewältigung in vorderster Reihe. In den Führungsetagen der Wirtschaft sind Frauen und ihre Expertise aber nur selten vertreten. Das wird sich ändern. Lange und beharrlich haben wir mit unseren Ministerinnen Franziska Giffey und Christine Lambrecht für mehr Frauen in Führungspositionen gekämpft. Das zahlt sich aus: Künftig gilt eine gesetzliche Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen – Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern müssen mit mindestens einer Frau besetzt sein. Das leitet nicht nur einen Kulturwandel in den Unternehmen ein, sondern hat auch eine wichtige Signalwirkung für die gesamte Gesellschaft.
Die Einschränkungen während der Corona-Zeit sind für viele Familien und Partnerschaften sehr belastend. Dies kann in häuslicher Gewalt enden. Die Initiative „Stärker als Gewalt“ klärt seit 2019 über unterschiedliche Gewaltformen und Wege auf, wie Gewalt beendet werden kann. Seit April 2020 werden außerdem Infoposter unter der Überschrift „Zuhause nicht sicher?“ zur Verfügung gestellt, die zum Beispiel in Supermärkten ausgehängt werden können. Dies sind wichtige Initiativen, um Frauen den Weg aus der häuslichen Gewalt aufzuzeigen und die Gesellschaft zu sensibilisieren.
Wenn man nur ein paar Jahrzehnte zurückblickt, wird deutlich, wie viel wir bei der großen Aufgabe Gleichberechtigung der Geschlechter inzwischen schon erreicht haben. Aber dies muss ein An-sporn sein: Wir sind erst am Ziel, wenn in allen Lebensbereichen gilt: Gleiche Rechte, gleiche Chancen – für alle Frauen!