Mathias Stein im Gespräch mit einem älteren Herren im Pflegeheim § Foto: Jonas Beck

Pflege solidarisch gestalten

Als Sozialdemokrat*innen ist unser Anspruch, dass alle Menschen unabhängig von Herkunft, sozialem Status und Einkommen in jeder Lebensphase gut und würdevoll leben können. Daher ist völlig klar, dass wir – gerade in einer älterwerdenden Gesellschaft – das Thema Pflege viel stärker in den Blick nehmen müssen. Im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege haben unsere Minister Hubertus Heil und Franziska Giffey bereits zukunftsweisende Vereinbarungen mit allen wichtigen Pflegeakteuren erarbeitet. Doch das kann nur der Anfang sein. Wer sollte hier zukunftsweisende Ideen entwickeln und in die Tat umsetzen, wenn nicht wir als SPD?

Auch wenn die Themen Gesundheit und Pflege nicht in meiner Fachzuständigkeit liegen, habe ich als Bundestagsabgeordneter in den vergangenen Jahren viele Gespräche geführt, um die vielschichtige Problematik besser zu verstehen und gemeinsam mit meinen Kolleg*innen in der Bundestagsfraktion Lösungen diskutieren zu können. Fachleute, mit denen ich mich austausche, sind dabei natürlich vor allem Pflegekräfte selbst. Ich stehe in engem Austausch mit dem Betriebsrat des Städtischen Krankenhauses Helmut Oeverdieck und habe mit ihm zusammen im vergangenem Sommer einen Austausch organisiert. Mit dabei waren neben Beschäftigten aus dem Städtischen Krankenhaus auch Bernd Heinemann aus dem Landtag sowie Philip Schüller und Anna-Lena Walczak aus der Kieler SPD-Ratsfraktion. Denn das Thema Pflege müssen wir auf allen politischen Ebenen gemeinsam angehen.

Um einen umfassenden Einblick in den Pflegealltag zu bekommen, habe ich im vergangenen Jahr ein zweitägiges Kurzpraktikum im AWO-Servicehaus Boksberg in Kiel-Dietrichsdorf gemacht. Ich habe selbst mit angepackt und mich mit Beschäftigten ausgetauscht. Zudem konnte ich mir als nur zusätzliche Arbeitskraft die Zeit nehmen, mich ganz in Ruhe mit den Bewohner*innen zu unterhalten, um ihre Bedürfnisse besser zu verstehen. Denn letztlich geht es bei allen Bemühungen um gute Pflege ja immer darum, allen Menschen jederzeit ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Arbeit in der Pflege braucht bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung

In der Pflegebranche sind höhere Gehälter in der Fläche nötig, um die Arbeit in diesem Beruf dauerhaft attraktiv zu machen. Dafür braucht es einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der gerade die Tarifflucht der Arbeitgeber in der Altenpflege stoppt. Aus den Gesprächen mit Pflegenden nehme ich allerdings immer wieder den Hinweis mit, dass es nicht nur um eine bessere Bezahlung, sondern vor allem auch um gute Arbeitsbedingungen geht. Wir brauchen bundesweit verbindliche Personalschlüssel, um die Situation für Pflegende und Gepflegte zu verbessern. Wenn es uns gelingt, die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern, bin ich mir sicher, dass auch wieder mehr Menschen diesen tollen Beruf ergreifen und über einige Jahrzehnte ausüben können und wollen.

Unsere Pflegeversicherung braucht eine solide Finanzierung und zukunftsfähige Modernisierung

Eine gute Pflegeversicherung darf keine Frage des Einkommens sein. Sie muss für alle qualitativ und erschwinglich sein. Da die private Pflegeversicherung Versicherte mit wesentlich höheren Einkommen und wesentlich geringerem Krankheits- und Pflegerisiko versorgt, hat sie pro Versicherten einen deutlich geringeren Aufwand als die soziale Pflegeversicherung. So hat sie mittlerweile über 34 Milliarden Euro Rücklagen angesammelt – Geld, das nicht für die Verbesserung der Pflege eingesetzt wird. Das wollen wir ändern.

Als SPD müssen wir uns dafür einsetzen, dass die Finanzierung der Pflege umfassend reformiert wird: Wir brauchen eine solidarische Pflegeversicherung als Bürger*innenversicherung, die künftig als Vollversicherung ausgestaltet werden sollte. Das bedeutet, dass die Beiträge zur Pflegeversicherung erhöht werden und bisher Privatversicherte in die Versicherung einzahlen müssen. Außerdem darf es keine Gewinnmaximierung auf Kosten guter Pflege geben. Spekulative Gewinne zu Gunsten anonymer Anleger*innen oder Investor*innen lassen sich nicht mit einer am Wohl des Menschen orientierten Pflege und einem solidarisch finanzierten Versicherungssystem vereinbaren. Darum sollten wir die Renditen begrenzen. Auf der anderen Seite brauchen wir eine Deckelung der individuell zu tragenden Eigenanteile an den pflegebedingten Kosten.

Rolle der Kommunen stärken

Menschen wollen auch im Alter in vertrauter Umgebung leben und gut vernetzt bleiben. Pflegeangebote und -infrastruktur werden auf Gemeindeebene organisiert. Darum wollen wir die Kommunen unterstützen, fördern und fordern, damit sie diese Rolle noch intensiver wahrnehmen. Durch eine Umstrukturierung der Pflegeversicherung werdenden Mittel frei. Diese können von Kommunen genutzt werden, um neue Wohnformen zu entwickeln und in altersgerechten Wohnungsbau, Quartiersentwicklung und Beratung zu investieren. Das wollen wir durch ein Investitionsprogramm des Bundes für altersgerechtes und barrierefreies Wohnen unterstützen. Hürden beim Ausbau alternativer Unterstützungs- und Wohnformen sollen beseitigt und Seniorengenossenschaften gestärkt werden. Wir brauchen mehr altersgerechte Wohnungen ohne Barrieren. Wenn diese durch Serviceangebote ergänzt werden, die bedarfsweise in Anspruch genommen werden können, kann vielfach eine kostenintensive Vollversorgung im Pflegeheim vermieden werden und Senior*innen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Denn häufig ist vor allem Entlastung im Alltag nötig. Solche Wohnformen können auch der Vereinsamung im Alter entgegenwirken. Der Herausforderung Demenz begegnen wir mit einer nationalen Demenzstrategie, die aktuell unter Federführung vom Bundesfamilienministerium erarbeitet wird. Zivilgesellschaftliche und ehrenamtliche Unterstützungsangebote können am besten vor Ort überblickt und vernetzt werden.

Bessere Unterstützung für pflegende Angehörige

Ich habe größten Respekt davor, wenn sich Familien entscheiden, die Pflege Angehöriger selbst zu organisieren. Sie brauchen dafür unsere Unterstützung und insbesondere eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Ein wichtiger Schritt wäre dafür ein Anspruch auf Pflegezeit mit Lohnersatzleistung, der dem von Elternzeit und Elterngeld entspricht. Zudem müssen wir Beratungsangebote verbessern und Kurzzeitpflegeplätze ausbauen.

Der Anfang ist gemacht: Mehr Pflege, mehr Ausbildung und mehr Personal durch die Konzertierte Aktion Pflege

Im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege haben wir Maßnahmen für mehr Pflege, mehr Ausbildung und mehr Personal auf den Weg gebracht. Das Paket umfasst unter anderem Maßnahmen für einen sozialen Arbeitsschutzstandard und mehr betriebliche Gesundheitsförderung, für eine Stärkung der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege sowie für eine Fort- und Weiterbildung von Führungskräften in der Pflege. Außerdem haben wir auf den Weg gebracht, dass ein Personalbemessungsverfahren entworfen wird, mit dem verbindliche Vorgaben für die Personalbesetzung in den Pflegeheimen und Krankenhäusern festgeschrieben werden. Und es wurden die Weichen gestellt für eine bessere Entlohnung. Dabei wurde ein Ende des Ost-West-Unterschieds beim Pflegemindestlohn erreicht. Nicht zuletzt soll die Anzahl der Auszubildenden und ausbildenden Einrichtungen im bundesweiten Durchschnitt um je 10 Prozent erhöht werden. Und die Pflegefachschulen werden Mittel aus dem Digitalpakt Schule erhalten, um das digitalunterstützte Lehren und Lernen zu stärken.