Zum Tag der Verkehrssicherheit: Abbiegeassistenten für LKW müssen überall kommen!
Noch immer sterben über 3.000 Menschen im Jahr auf Deutschlands Straßen, die meisten davon völlig unnötig – nicht durch tragische Unglücke, sondern unzureichende Regeln, schlechte Infrastruktur und rücksichtsloses Fehlverhalten. Um darauf aufmerksam zu machen, hat der Deutsche Verkehrssicherheitsrat den “Tag der Verkehrssicherheit” ins Leben gerufen, der seit 2005 an jedem dritten Samstag im Juni begangen wird. Am 20. Juni 2020 findet eine Online-Aktion statt: Unter dem Motto #1000sichereWünsche sammelt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat Forderungen für mehr Sicherheit im Straßenverkehr.
Sicherheit im Straßenverkehr rettet Leben und geht uns alle an. Mein Wunsch als Kieler Abgeordneter ist mehr Schutz für Rad- und Fußverkehr, der für die urbane Lebensqualität ohne Stau und Lärm und den Klimaschutz wichtig ist, aber keine Knautschzone hat. Dafür brauchen wir unter anderem die schnelle, flächendeckende Einführung von LKW-Abbiegeassistenten!
Über die Hälfte aller innerorts getöteten Verkehrsteilnehmer*innen waren zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs. Das sind deutschlandweit jeden Tag zwei Personen, darunter besonders oft Kinder oder ältere Menschen. Knapp 20 Prozent der Unfälle passieren, weil Berufskraftfahrer ohne Kamera oder Sensoren einen toten Winkel hatten.
Wenn ich auf dem Kieler Ostufer unterwegs bin, komme ich gelegentlich an dem Kreuz vorbei, das an der Kreuzung Ostring/Heikendorfer Weg aufgestellt wurde. Er erinnert an einen Schüler, der hier vor einigen Jahren von einem rechtsabbiegenden LKW übersehen wurde und an seinen Verletzungen gestorben ist. Dies führt mir jedes Mal aufs Neue vor Augen, wie wichtig Abbiegeassistenten sind. Denn jeder einzelne Todesfall ist unnötig. Wenn wir in Kiel die Verkehrswende erreichen wollen, wenn wir wollen, dass Kinder und Jugendliche selbstständig mit dem Fahrrad statt mit dem Elterntaxi die Schule erreichen, brauchen wir Abbiegeassistenten als einen Baustein von vielen für mehr Verkehrssicherheit.
Gerade jetzt ist diese Thematik aktueller denn je: Corona hat uns gezeigt, welche Maßnahmen wir bereit sind zu ergreifen, um menschliches Leben zu schützen. Spätestens jetzt gibt es auch im Verkehrsbereich keine Ausreden mehr: Assistenzsysteme für LKW retten Leben und schützen vor schweren Verletzungen – jeden Tag, zu geringen Kosten und ohne Veranstaltungsabsagen oder Schulschließungen. Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung, die aber doch im Einzelfall ganz klein ist, können wir die Sicherheit schnell enorm verbessern. Ich fordere daher die schleswig-holsteinischen Unternehmensverbände und großen Kieler Unternehmen, in deren Branchen, wie Logistik oder Einzelhandel, der häufige Einsatz großer LKW in den Städten unerlässlich ist, in einem Brief auf, zügig ihre Fuhrparks vollständig mit Abbiegeassistenzsystemen auszustatten. Bei einem LKW-Neupreis von über 100.000 Euro dürfen 3.000 Euro Mehrkosten für dieses lebenrettende System schlicht keine Ausrede sein, denn jedes Leben zählt! Aus Gesprächen mit Fahrern weiß ich, dass auch diese täglich psychisch erheblich entlastet werden, wenn die Gefahr einer tödlichen Unfallschuld so deutlich reduziert ist. Auch dieser Verantwortung für den Arbeitsschutz, neben der Verkehrssicherheit, müssen die Arbeitgeber gerecht werden – Applaus für Sonntagsschichten in Corona-Zeiten reicht nicht!
Auch der deutsche Staat trägt eine Verantwortung für das Problem und seine Lösung. Das Bundesverkehrsministerium hat die “Aktion Abbiegeassistent” ins Leben gerufen und fördert die Nachrüstung von vorhandenen Fuhrparks mit 10 Mio. Euro im Jahr und bis zu 1500 Euro pro Fahrzeug. Ich habe mich sehr gefreut, dass die Landeshauptstadt Kiel ihren Bestand mit Hilfe dieses Programms nachrüsten lässt und als Vorbild schon jetzt nur noch Fahrzeuge mit eingebautem Assistenzsystem kauft. Wer bei der Aktion des Verkehrsministeriums mitmacht und sich dazu bekennt, dass ein paar Tausend Euro gut investiertes Geld sind, um Leben zu schützen, kann als Sicherheitspartner zertifiziert werden und so für sich werben.
Aber auch gesetzlich sind die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Ein erster Schritt war, das Rechtsabbiegen im Rahmen der neuen Straßenverkehrsordnung nur noch in Schrittgeschwindigkeit zu gestatten. Ich setze mich aber dafür ein, dass auch in der deutschen Straßenverkehrsordnung das Wiener Modell eingeführt wird, mit dem die Städte ihr ganzes Straßennetz für LKW ohne Assistenten sperren können.