Sozial ist, was Wohnraum schafft?
Manchmal lernt man neue Wörter, von denen man sich gewünscht hätte, dass es sie gar nicht gibt: „Herausmodernisieren“ ist so eins. Davon spricht man, wenn Immobilienbesitzer teure, übertriebene oder sogar unnötige Modernisierungsmaßnahmen ankündigen oder durchführen, mit der Absicht, den Mieter loszuwerden. Wenn langjährige Mieter gezwungen sind ihre Wohnung zu verlassen, verlieren sie damit meist auch ihr Umfeld und ihre Nachbarn, ihren „Kiez“.
Dieses Phänomen ist nur die Spitze des Eisbergs und zeigt, was passieren kann, wenn der Wohnungsmarkt den freien Marktkräften ausgesetzt ist. Kein Wunder, dass sich mehr und mehr Mieter*innen, Verbände und Vereine zur Wehr setzen und sogar von Enteignung die Rede ist, ob als ernst gemeinter Vorschlag oder nur um das „Waffenarsenal“ zu zeigen.
Ich bin froh, dass unser Grundgesetz die Möglichkeit von Enteignung zulässt. Aber Enteignungen können aus meiner Sicht nur die allerletzte Möglichkeit sein. Stattdessen brauchen wir eine vernünftige Miet- und Wohnungsbaupolitik. Dafür setzt sich die SPD auf Bundesebene ein: Wir haben bereits dafür gesorgt, dass seit dem 1.1.2019 ein*e Vermieter*in nur noch acht (statt vorher elf) Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umlegen darf. Mehr war mit unserem Koalitionspartner nicht zu machen. Ich bin überzeugt, dass diese acht Prozent immer noch zu viel sind, und die Modernisierungsumlage, wie vom Mieterbund gefordert, auf vier Prozent begrenzt werden sollte.
Auch die Mietpreisbremse, die Mietsteigerungen bei Neuvermietungen begrenzt, haben wir zum 1.1.2019 verbessert. Sehr schade allerdings ist, dass diese Verbesserungen den Mieterinnen und Mietern in Schleswig-Holstein wohl bald gar nicht mehr zu Gute kommen werden: Die Jamaika-Regierung hat angekündigt, die Mietpreisbremse im Herbst wieder abzuschaffen. Es ist zwar Aufgabe des Bundes, die Rahmenbedingungen für die Mietpreisbremse festzulegen. Jedes Bundesland entscheidet dann allerdings selbst, ob sie zum Einsatz kommen soll oder nicht. Für Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt wie Kiel oder die im Hamburger Umland, ist sie ein wichtiges Instrument. Besonders unverständlich und ärgerlich ist es, dass die Landesregierung mit ihren Plänen nicht mal abwartet, wie sich die Neuerungen der Mietpreisbremse auswirken.
Vor dem Mieten kommt das Bauen: Hier sehe ich den Bund in der Pflicht, den Wohnungsbau finanziell zu fördern. In dieser Wahlperiode investieren wir fünf Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau. Ich bin außerdem überzeugt, dass die Kommunen in die finanzielle Lage versetzt werden müssen, Grundstücke zu kaufen. Dafür müssen wir die finanzielle Situation von Städten wie Kiel verbessern. Der Verkauf von kommunalen Wohnungsbauunternehmen in der Vergangenheit, der dieser Tage oft bedauert wird, war in vielen Städten kein „neoliberaler Selbstzweck“, sondern oft Folge von massiver Verschuldung, hoher Zinslast und eines Sanierungsstaus, so zum Beispiel auch in Kiel.
Auch rechtlich brauchen die Kommunen mehr Spielräume. Wir wollen dafür sorgen, dass die Spekulationen mit Bauland eingedämmt werden können: Viele baureife aber unbebaute Grundstücke liegen brach, weil sich ihre Besitzer durch einen späteren Verkauf höhere Gewinne versprechen. Im Koalitionsvertrag konnten wir durchsetzen, dass eine „Grundsteuer C“ eingeführt wird, mit der wir unbebautes Bauland mit einer höheren Abgabe belegen und so Anreize setzen können, dass wirklich gebaut wird.
Wir müssen an vielen Schrauben drehen, um der Wohnungsnot entgegen zu treten: Bund, Land und Kommune in Zusammenarbeit. Ich bin überzeugt: Sozial ist, was Wohnraum schafft. Aber es muss uns gelingen, dass in den Städten nirgends nur hochpreisiger Wohnraum entsteht, sondern überall auch bezahlbare Wohnungen. Nur so erreichen wir, dass Menschen unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten und ihrer sozialen Herkunft in jedem Stadtteil leben können. Am Ende stärkt dies die Gesellschaft und macht sie immun gegen Rassismus und Ausgrenzung von Minderheiten.