Kommentar zur Causa Maaßen

Liebe Genossinnen und Genossen,

mit seiner Entscheidung, Hans-Georg Maaßen als Staatssekretär in sein Innenministerium zu berufen, hat Horst Seehofer der Bundesregierung, der Regierungskoalition und vor allem unserer Demokratie schweren Schaden zugefügt. Hans-Georg Maaßen hat als Präsident des Verfassungsschutzes öffentlich ungeprüfte und unwahre Behauptungen geäußert, anstatt die Bundesregierung und das Parlament intern über seine Bedenken zu informieren, so wie es seine Aufgabe gewesen wäre. In einer politisch angespannten Zeit, in der nicht nur in vielen Städten in Ostdeutschland ein zunehmender Rechtsruck zu beobachten ist, hat er Taten von Rechtsradikalen in Abrede gestellt und sich geweigert, die demokratie- und ausländerfeindliche AfD zu beobachten. Dieser Mann ist seit Jahren auf dem rechten Auge blind und ich bin froh, dass mit seiner Abberufung vom Chefposten im Bundesamt für Verfassungsschutz die Weichen für einen Neustart gelegt wurden. Dafür – immerhin – haben wir Sozialdemokraten gesorgt und das ist gut so.

Aber der Preis dafür war hoch, wie wir inzwischen wissen: Für mich ist es ebenso unverständlich wie unerträglich, dass Horst Seehofer seinen Parteifreund Maaßen, der das Amt des Verfassungsschutzpräsidenten für seine eigene politische Agenda missbraucht hat, jetzt auf einen höheren Posten im Ministerium befördert, anstatt ihn mit roter Karte vom Spielfeld zu schicken. Ich kann jede Genossin und jeden Genossen verstehen, die und den dieses Manöver erschüttert, wütend und fassungslos macht. Wir sind in diese ungeliebte Koalition gegangen, um das bestmöglichste für Kinder und Familien, für Berufsschüler und Studenten, für Arbeitnehmer und Rentner herauszuholen. Wir wollten das Leben der Menschen in Deutschland ein bisschen besser machen – und uns nicht am Infostand für die Eskapaden des CSU-Chefs verbal verprügeln lassen müssen.

„Der Gefährder“ wurde Horst Seehofer am vergangenen Wochenende im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ genannt und tatsächlich erleben wir seit Monaten einen gefährlich verantwortungslosen Bundesinnenminister auf dem Egotrip. Wir erleben einen CSU-Chef, der keine Gelegenheit auslässt, in der Berliner Regierungskoalition unsinnigen Streit vom Zaun zu brechen, um bei der Landtagswahl in Bayern den Eindruck von Unbeugsamkeit und Durchsetzungsstärke zu erwecken. Bei der Koalitionskrise um die Flüchtlingsfrage im Frühsommer ist ihm das nicht gelungen, bei dem Streit um die Personalie Maaßen sieht es leider anders aus. Und was man dazu sagen muss: Je lauter sich die SPD über seinen demokratieschädigenden Affront erregt, desto besser steht er daheim in Bayern da. Seehofer kann sich zudem leider sicher sein, dass er vor der Bayernwahl von Bundeskanzlerin Angela Merkel nichts zu befürchten hat, da sie den Vorsitzenden der Schwesterpartei bei allem Unmut über sein Verhalten vor dem Wahltag nicht aus dem Kabinett kegeln kann. Er hat de facto Narrenfreiheit bis zum 14. Oktober – und die nutzt er rücksichtslos aus. Die SPD ist nicht die einzige, die dabei Schaden nimmt.

Ich weiß um den großen Frust in unserer Basis und teile die Sorge um die Zukunft unserer Partei. Aber bei allem Verständnis dafür, dass die Emotionen dieser Tage hohe Wellen schlagen, warne ich doch vor voreiligen Schlüssen und unsolidarischem Verhalten. Es wurden strategische und kommunikative Fehler gemacht zu einer Zeit, in der wir uns kaum Fehler erlauben dürfen. Darüber müssen wir reden: in unseren Parteigremien in Stadt und Land, im Bundesvorstand und nicht zuletzt in der SPD-Bundestagsfraktion. Bei unserer Sondersitzung zu Beginn der Sitzungswoche in Berlin am kommenden Montag werden wir intern konstruktiv und in aller Offenheit über unsere Arbeit und die Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung sprechen.

Neben dem Neustart im Bundesamt für Verfassungsschutz brauchen wir einen Neustart in der schwarz-roten Koalition in Berlin. Die CSU muss sich spätestens nach der Landtagswahl in Bayern entscheiden, ob sie die Bundespolitik weiterhin mit ihren landespolitisch motivierten Machtspielen im Krisenmodus halten will oder sich endlich konstruktiv, verlässlich und verantwortungsvoll an der Regierungsarbeit beteiligt. Während unsere SPD-Ministerinnen und Minister die Rente sichern, den Verbraucherschutz stärken, die Kitas verbessern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, wird die Liste der unerledigten Aufgaben der CSU-Minister immer länger: Angefangen bei der ungelösten Frage zur Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen über die akute Wohnungsnot bis hin zu migrationspolitischen Herausforderungen wie der Erarbeitung eines modernen Einwanderungsgesetzes. Die CSU muss endlich vom Wahlkampf- in den Arbeitsmodus wechseln und beweisen, dass sie regierungstauglich ist.

Wir alle haben Verantwortung für Deutschland. Es wird Zeit, dass sich auch die CSU entsprechend verhält.